Gentrifizierung bedeutet einen sozioökonomischen Strukturwandel in Stadtvierteln. Diesen kann man auch im Nauwieser Viertel in Saarbrücken beobachten. Wir haben eine Abwanderung ärmerer und den Zuzug wohlhabenderer Bevölkerungsgruppen. Parallel kommt es im Viertel zu einem Anstieg des Wohnpreisniveaus.
Das Viertel hat sich gewandelt. Viele Häuser wurden renoviert und die Fassaden schön hergerichtet. Lofts wurden integriert und die Mieten stiegen. Im Nauwieser Viertel geht es inzwischen deutlich beschaulicher zu als früher, die Drogenszene bei der Stadtbibliothek wanderte ab, Rotlicht-Kneipen findet man nur noch schwerlich und auch das "Uff de Nauwies" hat seinen alten Charme verloren, die Poster wurden abgehängt und Lounge-Charakter samt Smartphone-Kultur zogen ein. Ähnliches kennen wir vom Canossa auf der Uni.
Die Gentrifizierung hat typische Muster. Aufgrund der niedrigen Mieten, zentraler Lage etc. werden Stadtviertel für Studenten und Künstler interessant. Das Viertel wird durch kulturelle Aktivitäten aufgewertet. Künstler etablieren sich, eine Kneipenszene entsteht. Die ehemaligen Studenten steigen ins Berufsleben ein und verdienen mehr Geld. Ihre Wohnflächenansprüche steigen; Häuser und Wohnungen werden von Investoren aufgekauft und restauriert. Immer mehr Lokale entstehen, das Viertel wird "in". Dadurch steigen die Mieten an und finanziell Schwächere wandern ab.
Der Charakter eines Viertel ändert sich. Künstler ziehen ab, Subkultur geht in andere Viertel und Randbezirke (Osthafen?). Oft wird es ruhiger in diesen Stadtteilen. Im Nauwieser Viertel ist dies ja auch von etlichen Mietern gefordert worden. Es werden keine weiteren Konzessionen an Kneipen, Bars etc. vergeben.
Im schlimmsten Fall wird das Stadtviertel langweilig, Kneipen schließen und die Studentenkultur zieht ab in Viertel, in denen "mehr los ist" oder es interessanter ist. Solche Viertel werden dann fast zu reinen Wohnvierteln und einige Alteingesessene und Akteure der ersten Stunde trauern nostalgisch den alten Zeiten nach.
Noch ein paar Worte zum "Merian"-Autor Manuel Andrack:
Auf Seite 96 Merian Saarland 2012 steht: "Aber ist es wirklich schon böse Gentrifizierung, wenn die ursprüngliche Klientel einfach älter und wohlhabender wird? Eher nicht."
Nein, natürlich nicht, denn Gentrifizierung bedeutet ja auch: "Als Gentrifizierung bezeichnet man den sozioökonomischen Strukturwandel bestimmter großstädtischer Viertel im Sinne einer Abwanderung ärmerer und eines Zuzugs wohlhabenderer Bevölkerungsgruppen. Parallel kommt es zu einem Anstieg des Wohnpreisniveaus." (http://de.wikipedia.org/wiki/Gentrifizierung)
Bedeutet es Gentrifizierung, wenn die Mieten im Viertel stetig steigen, wenn immer mehr wohlhabendere Menschen zuziehen und ärmere abwandern? Wenn kleine Läden sich kaum noch halten können und Eigentümer Räume lieber leerstehen lassen statt z.B. preisgünstiger an Künstler zu vermieten, weil sie wissen, dass die Lage den Preis rechtfertigt? Ja, genau das bedeutet es.
Falk Kuckert: "Die Gentrifizierung, also der Austausch der Bewohner, sei in vollem Gange." (Leis und Kuckert Grafikdesign sind für die Ideen, Gestaltung und Redaktion des Saarbrücker Stadtmagazin Viertelvor verantwortlich).
Trotz Strukturwandel, zum Ausgehen ist das Viertel genau richtig!