Das Nauwieser Viertel in der Landeshauptstadt ist ein Viertel des Saarbrücker Stadtteils St. Johann. St. Johann war erst
selbstständiger Ort, der sich 1909 mit Saarbrücken und Burbach-Malstadt zur heutigen Stadt Saarbrücken vereinigte.
Das Sumpfgebiet Nauwies wurde trockengelegt ( mehr dazu) und die Nauwieserstraße war der einzige Pfad durch den Sumpf von Sankt Johann.
Ein Teil der Nauwieserstraße wurde 1951 in Martin-Luther-Straße umbenannt.
Ausgehend von diesem Sumpfweg wuchs das übrige Straßennetz des Gründerzeitquartiers, welches von alteingesessenen
Bewohnern auch Chinesenviertel genannt wird. Bei den in der Zeit zwischen 1860 und 1920 errichteten Häusern handelt es sich häufig
um den Historismus (Gründerzeit) als dominierenden Architekturstil. Dies kommt in diesem Viertel besonders
im Bereich der mittleren Nauwieserstraße und der oberen Blumenstraße klar zum Ausdruck.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verfiel das Viertel zunehmend.
Im Jahr 1966 kennen wir keinen Distrikt Nauwieser Viertel. Nach vorliegenden Dokumenten der Stadt wurde
St. Johann eingeteilt in 31 Beethovenplatz, 32 Hauptbahnhof, 33 St. Johanner Markt, 34 Johannishof,
35 Kaninchenberg, 36 Rotenbühl, 37 Am Homburg, 38 Wartburg und 39 Eschberg.
Von einem Bereich Nauwieser Viertel findet man in diesen Dokumenten nichts. Auch in anderen Schriften aus
jener Zeit und davor ist nichts von einem Nauwieser Viertel als Distrikt oder Bezirk zu finden.
Zu dieser Zeit und auch davor sprachen die Menschen im Altag bereits vom Nauwieserviertel,
doch es ist unklar, welche Bereiche genau, nach Ansicht der Bürger, dazugehörten und welche nicht.
Der Schwerpunkt liegt für uns darauf herauszufinden, wann erstmals offiziell
und in Verwaltungskreisen vom Nauwieserviertel als Distrikt
die Rede war und wann dieser Begriff in Dokumenten auftauchte.
In "Arbeitsberichte zur Kommunalen Planung" Band 5 (1976) finden wir die Erwähnung des Nauwieser Viertels.
In "Arbeitsberichte zur Kommunalen Planung" Band 6 (1976) finden wir dann die Einteilung der Innenstadt wie
auf dem Bild: 131 Hauptbahnhof, 132 Landwehrplatz, 133 St. Johanner Markt, 134 Am Staden ...
Im Jahr 1978 wird für Sanierungstätigkeiten das Nauwieserviertel als Teil des
statistischen Unterbezirks 2 "Landwehrplatz" (der zuvor "Schlachthofplatz" hieß) genannt.
Jener ist Teil des Bezirks 3 "St. Johann". So in den "Vorbereitenden Untersuchungen" nach dem
Städtebauförderungsgesetz.
Bei der Neugliederung des Stadtgebietes von 1979 bekommt der Bereich, den wir heute "Nauwieser Viertel" nennen, die
Distriktnummer 132 und hat 5405 Einwohner. Auch in den Unterlagen aus dem Jahr 1979 finden wir die Einteilung
der Jahre zuvor. Eben mit der 132 für den Distrikt Landwehrplatz.
Festhalten kann man, dass von offizieller Seite ein Distrikt
Nauwieser Viertel erst recht spät, nämlich ab 1979 genannt wird und der Bereich
zuerst (1966) als Teil von 31 Beethovenplatz und 38 Wartburg galt und danach
als Teil des Unterbezirks "Landwehrplatz".
In den 1970er Jahren erfreuten sich besonders Studenten an den günstigen Altbauwohnungen sowie an der vielfältigen Kneipenkultur. Heute sind die Mieten für Anwohner, aber besonders für Gewerbetreibende extrem hoch. Ein SR-Bericht heißt "Das Nauwieser Viertel zwischen Gentrifizierung und kulturellem Leben". Doch wie ist die Wohnzufriedenheit der Menschen im Viertel zu der Zeit? Die Bewohner wurden 1978 (im Sanierungsgebiet) dazu befragt. Die Untersuchung kommt zum Schluß: "Nicht städtebauliche Anreize, soziale Bindungen und gwachsene Strukturen prägen also die Einstellung der Bewohner(...)".( Quelle: Das Nauwieserviertel Sozialstruktur Probleme und Maßnahmenvorschläge zur Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität, Seite 55). Letztlich finden wir also eine geringe Identifikation mit dem Viertel vor. In Heft 18 der "Arbeitsberichte zur Kommunalen Planung" lesen wir auf Seite 89: "nur schwache gefühlsmäßige Bindung an das Quartier". Man sieht anhand der Zitate, es gab damals noch keinen Hype um dieses Viertel.
Ab 1980 gab es im Viertel Drogenprobleme, Beschaffungskriminalität und Prostitution.
Das Viertel hatte einen schlechten Ruf und das Straßenbild war geprägt durch alte baufällige Häuser.
Ab dem Jahr 2000 gab es einen Umschwung. Wegen des städtischen Sanierungsprogramms begann eine Phase umfangreicher
Bau-und Sanierungstätigkeiten. Das Nauwieser Viertel wurde beliebtes Ausgeh- und Wohnviertel.
Landwehrplatz und Max-Ophüls-Platz (früher Nauwieser-PLatz) wurden grundlegend umgestaltet.
Die Drogenszene konnte völlig aus dem Kernbereich verdrängt werden. Wir finden sie heute an anderer Stelle
,am Rand des Nauwieser Viertels wieder, nämlich an der Johanniskirche.
Das Straßenbild verschönerte sich und der Ruf
verbesserte sich. Für viele ist es das Kneipenviertel in Saarbrücken.
Im Laufe der Zeit sind alte
Gastronomie, Kneipen und Bars verschwunden und neue machten auf. Hier ein paar, die es nicht mehr gibt:
Dr. HC, Femina Bar, Bar Rumpelkammer, Karlsbergklause, Bäckerei Schauss, Zum Nauwieserplatz,
Bürgerstube, Zum Sultan, Alte Bier-Stub, Hashimoto, Fleure de bière, Café et al, Kater Carlos, Billardklause,
Family Cafe, Zing, Blue Moon, Uff de Nauwies, usw.
Während in den frühen Jahren das Viertel eher alternativ daherkam, streben andere Bürger eine edel gestylte
Shoppingmeile an. Durch die Anti-Raucher-Gesetze hat sich der Lärm auf den Straßen wieder seinem
altgewohnten Pegel angepasst.
Man beschwerte sich früher über die Lautstärke beim Spielplatz und im Umkreis des Juz in der Försterstraße.
Waren es früher Alternative, die auf den Straßen krakeelten, findet man heute gesetzlich
aus den Kneipen Vertriebene, die im Freien ihren Spaß haben wollen - beziehungsweise müssen.
Inzwischen sind die Mieten weiter gestiegen und Geschäftsräume stehen immer wieder leer
(wie inzwischen auch im Rest der Innenstadt).
Auch im Viertel finden sich auf dem Mügelsberg die Kirche St. Michael und der Echelmeyerpark ( Alois Echelmeyer 1912 bis 1929 Pfarrer
in St. Johann). Dieser war früher ein Friedhof.
Der Echelmeyerpark ist eine kleine und ruhige Oase in Saarbrücken. Neben Slaklinern, Kindern auf dem
Spielplatz und Sonnenhungrigen im Gras trifft man auch Leute, die mitten im Park Kampfsport trainieren.
Die Kirche St. Michael ist eine römisch-katholische Kirche, die von 1923 bis 1924 nach Plänen des
Architekten Hans Herkommer erbaut wurde. Der Mügelsberg erinnert an die Familie Mügel und deren Brauerei.
Nicht umsonst heißt eine Straße in der Nähe Brauerstraße.
Das Nauwieser-Viertel ist ständig in Bewegung und heute ein beliebtes Viertel für Jung und Alt.
Es ist bekannt für seine einerseits "offenen Bewohnerinnen und Bewohner" (Quelle: tourismus.saarbruecken.de 9.8.2023)
und die andererseits Genervten, die innerhalb weniger Monate 52 Anzeigen aufgeben, weil es ihnen zu laut zuging
(Quelle: SZ 24.9.2021). Ein Einerseits-Andererseits-Distrikt in Saarbrücken eben.
Wenn wir das Schöne bewahren und die Zukunft positiv und nachhaltig gestalten, wird das Viertel auch
in den kommenden Jahren seinen (alten) Charme behalten.
Süden: Stephanstraße/Großherzog-Friedrich-Straße
Westen: Dudweiler Straße
Norden: Bahnstrecke zwischen Dudweiler Straße und Martin-Luther-Straße
Osten: Egon-Reinert-Straße